Zweiter Band. Vollständig neu bearbeitete Ausgabe der 1. Auflage 1860
Josef Kleutgen
„Unter der Philosophie der Vorzeit, deren Verteidigung diese Schrift gewidmet ist, verstehen wir jene Philosophie, welche von den ersten Zeiten der Kirche bis in das achtzehnte Jahrhundert wenigstens auf den katholischen Schulen allgemein gelehrt, und von den Theologen für die heilige Wissenschaft benutzt wurde. Es war dieses, freilich nicht allen einzelnen Lehrpunkten, aber auch nicht bloß den höchsten Grundsätzen und der Richtung nach, keine andere, als die von Sokrates gegründet, von Plato und Aristoteles ausgebildet, schon unter den Völkern der vorchristlichen Zeit für die ausgezeichnetste galt. Obwohl sich mehrere Väter der Kirche und die Theologen der ersten Hälfte des Mittelalters mehr der platonischen; die Scholastiker aber der aristotelischen Philosophie bedienten; so lässt sich doch nicht leugnen, und wird auch gemeiniglich nicht geleugnet, dass die Spekulation der Väter und Scholastiker, besonders wenn man sie in ihrem Gegensatz zur neuen Philosophie betrachtet, als ein und dieselbe anzusehen ist, und wir werden Gelegenheit haben, diese Übereinstimmung in mehreren viel entscheidenden Punkten nachzuweisen.“
Über den Autor
Josef Kleutgen (1811 – 1883) wurde von Papst Leo XIII. als Princeps philosophorum („Fürst unter den Philosophen“) bezeichnet. Kleutgen gehörte zu den engagierten Verteidigern der Neuscholastik, deren Grundlagen er in der antiken Philosophie erkannte. Kleutgen war Jesuit und lehre bis 1880 als Professor am Collegium Germanicum in Rom.